DAS VERDIKT ZUM THEMA FOTO
Wieso Fotos lügen!

Ich gehe an den Fotoautomaten am Bahnhof, werfe die Münze rein und mich selbst in die Brust, freue mich ob meines Konterfeis im Spiegel, noch schnell ein Griff in die Frisur, noch zwei Umdrehungen hoch mit dem Hocker, und jetzt heissts: Freundlich grinsen, Haltung bewahren, Blick fixieren – nichts – ich grinse immer noch – immer noch nichts – ich grinse weiter – jetzt müsste es doch langsam blitzen – mein Grinsen verhärtet sich zusehends – wann blitzts denn jetzt endlich – das Grinsen wirkt langsam etwas schmerzverzerrt und erstarrt in einer schrägen Grimasse – Herrgott nochmal, blitz doch endlich, du fieser Automat.
Und gerade als ich die Geduld verliere und dem Kasten voller Grimm einen verdienten Faustschlag versetze, da: Es blitzt – ah, endlich! Das erste Bild wird wohl nix, hat mich als aggressiven Schläger erwischt, aber das nächste. Ich werfe mich wieder in Pose, und noch während ich werfe, blitzt es zum zweiten Mal. Ich fluche und gerade beim “Du blöder Sch..kasten!” blitzt es zum dritten und beim “Mist, jetzt reiss ich dir die Elektronik raus” zum vierten Mal. Geld weg, alles verblitzt, die Augen geblendet, die Zeugnisse meiner Erniedrigung sind im Kasten.


Das Resulat ist jedesmal umwerfend, wenn ich die Bilderchenreihe aus dem Trocknungsschacht nehme: “Wow, genau so seh ich aus! Hervorragend getroffen, wirklich gekonnt, das bin ich. Sooooo vorteilhaft aber auch!” Ihnen wird es auch so gehen. Ich habe selten Menschen gesehen, die sich selbst fotogen und die Bilder von sich getroffen finden. Das liegt vor allem daran, dass wir uns nur vom Spiegelbild her, also seitenverkehrt kennen. Erstaunlich, aber es ist so. Das uns eingeprägte Spiegelbild sieht nun mal nicht gleich aus wie der Frontalanblick des Orginals und deshalb sind uns Fotos von uns selbst irgendwie fremd, sie stimmen nicht. Wir sehen uns auch selten von hinten oder von der Seite. Wir kennen uns da schlicht weniger gut als die andern. Fremdbild und Selbstbild. Wenn Sie versuchen, sich Ihre Oma vorzustellen, wird das fast ohne Mühe gehen. Aber mit sich selbst? Probieren Sie's mal aus!

Es ist mir als Personalberater auch noch nie geschehen, dass die Vor-Vorstellungen aufgrund des Fotos mit dem Menschen übereinstimmte, der dann zur Tür hereinkam. Er war immer anders! Und wehe, wenn das Bild wirklich oder sogar absichtlich gelogen ist. Ich habe schon Bilder gekriegt von Leuten, die waren 25 Jahre alt. Nicht die Leute, sondern die Leute auf den Bildern. Und es kam dann ein Schlottergreis herein. So was ist gelogen, so was macht man nicht, es ist ein Filter Total. Das Rennen war schon auf der Türschwelle gelaufen. Also aufgepasst! Und die Moral? Ich finde:

Ein Foto lügt immer!

• Deshalb: Fotos beilegen nur, wenns verlangt ist – ist eh billiger.
• Wenn ein Foto, dann nur ein hervorragendes, eines, das als Turbo-Verstärker dient.
• Kein mieses Foto aus dem Kaugummiautomaten! Filter pur.
• Nie ein schlechtes Foto! Machen Sie sich nicht selbst fertig: Mafioso, Knastbruder, Heulsuse, Deprogesicht, Finstermann, Kindermörder, alles verboten. Wenn Sie wüssten, was wir eins über schlechte Fotos lachen! Ups?!? Hätt ich wohl nicht sagen sollen, aber wir sind doch auch bloss Menschen.
• Fotos sind obligatorisch bei Jobs, in denen das Äussere wichtig ist: Mode, Verkauf, Vorzimmerwesen usw. oder wenn sie ausdrücklich verlangt werden und wo das Fehlen des Fotos als Filter wirkt. Sonst qualifizieren Sie sich schon in der BeWerbung als Querulant.
Diese Ansichten sind etwas unorthodox. Viele KollegInnen bestehen auf Fotos und finden sie sehr wichtig: “Da kann ich mir schon mal ein Bild machen.” Es gibt aber wirklich gute Gründe dagegen:
• Erstens das mit der Lüge, man macht sich eben allermeistens ein falsches Bild.
• Zweitens wissen Sie nicht, wie Ihr Foto ankommt. Vielleicht sehen Sie auf dem Foto aus wie der Nachbar des Personal- menschen, mit dem er seit 10 Jahren prozessiert. Und dann?
• Drittens sollte niemand aus dem Rennen fallen, weil er auf dem Foto falsch aussieht. Und das geht nur ohne Foto.
• Und viertens für Personalmenschen: Haltet euch doch bitte ans Orginal!


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